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Kabarett und Varieté. Berlin und Wien. 1920er.

Auf beiden Bühnen in beiden Städten, waren wir gut vertreten. Hier konnte man Spießbürger pointenreich für ihre Borniertheit bestrafen, Witze über die Antisemiten reißen – und über uns selber. Humor haben wir nicht erfunden, aber kräftig kultiviert.

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Die Berliner strömten in Massen zu seinen Vorstellungen. Nicht nur, um den offiziell „stärksten Mann der Welt" zu sehen. Zische Breitbart faszinierte sie mit immer neuen, kreativen Darbietungen.

Am prominentesten war aber im Berlin der 1920er kein Humor-Virtuose, sondern „Zische“ Breitbart, genannt der „Eisenkönig.“ Der Schmied aus Polen, mit schier übernatürlichen Kräften ausgestattet, zerbrach Hufeisen, verbog dicke Eisenstangen und verblüffte das Publikum, wenn er zwei Pferde zusammenhielt, die mit der Peitsche auseinander getrieben wurden.

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Zische Breitbart hält ein Gerüst, auf dem zwei Männer mit Motorräden im Kreis fahren.

Künstlerisch anspruchsvoller und avantgardistisch wirkte Max Reinhardt. Zur Theaterkette des „Theatermagiers“ gehörte neben anderen bedeutenden Häusern auch das Berliner Kabarett „Schall und Rauch.“

Seine Parodien auf klassische Dramen machten Schall und Rauch rasch zu einem Publikumserfolg, allerdings von der Polizei argwöhnisch beobachtet.

Die Furchtlosigkeit des Ensembles vor der „Obrigkeit“ und die Bereitschaft zu neuer Leichtigkeit zeigt sich auch in den Plakaten.

Max Reinhardt gilt als Wegbereiter des Modernen Theaters in Deutschland und Österreich.

Egon Fridell. Kabarettist, Schauspieler, Kritiker, Schriftsteller, Dr. Phil. und mehr. In Deutschland und Österreich bekannt für seine Auftritte in den damals führenden Kabaretts „Nachtlicht“, „Hölle“ und „Fledermaus“.  

Im Bild: Egon Fridell, rechts, stehend, als Goethe in seinem satirischen Stück „Goethe im Examen.“

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„Serenissimus und Kindermann“ – zwei Figuren von Max Reinhardt, berühmt für ihre treffsicheren Satiren.

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„Treten Sie zur Seite“ rief Egon Fridell den Passanten zu, als er sich 1938 auf der Flucht vor der SA aus dem Fenster stürzte, um der Deportation ins KZ zu entgehen.

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Bis heute gilt Harry Houdini als größter Entfesselungskünstler aller Zeiten. Aber auch mit unfassbaren Zauberkunststücken begeisterte er Anfang des 20. Jahrhunderts Massen an Zuschauern in den USA. Houdini befreite sich aus Zwangsjacken, Ketten oder unknackbaren Handschellen. Dabei hing er kopfüber an Haken, war in der Erde begraben oder in einem durchsichtigen Wasserbehälter. Nicht wenige, darunter Zar Nikolaus, waren überzeugt, Houdini besitze übernatürliche Kräfte.

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Die Grand Dame des Kabaretts in Berlins wilden 20ern: Rosa Valetti. Sie gründete und führte das damals weithin berühmte „Cafe Größenwahn“, dirigierte das Kabarett „Rakete“ und gründete „Die Rampe,“ auch ein politisch-satirisches Kabarett. Und schließlich gehörte sie zu den Gründern des „Larifari,“ in dem die Creme der Kabarettisten und Literaten auftrat. 1933 flüchtete Rosa Valetti vor den Nazis nach Wien, starb dort 1937.  

Unvergessen das Kleinkunst Universalgenie der „20er,“ Rudolf Nelson. Der Kabarettist, Pianist, Komponist und Theaterdirektor eröffnete – damals couragiert - schon 1904 das Kabarett „Roland von Berlin“ und 1907 das „Chat Noir“ als literarisch-musikalisches Kabarett. Er schrieb und komponierte 30 Revuen, die Berlin zur damaligen Welthauptstadt der Unterhaltung machten. Zu seinen Interpreten gehörten Marlene Dietrich, Hans Albers und Josephine Baker, 1933 musste Rudolf Nelson emigrieren.

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Friedrich Holländer. Einer der ganz Großen der Berliner „Roaring Twenties“. Und nicht nur im Kabarett. Legendär seine Auftritte in der „Wilden Bühne.“ Zu seinen Spezialitäten gehörte die improvisierte Begleitung am Klavier, oft für Auftritte seiner Frau Blandine. Für sie, den damaligen Szenen-Star, textete und komponierte er Lieder. 1931 gründete er das Kabarett "Tingel Tangel", das in Berlin zu den ersten Unterhaltungstempeln gehörte.

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Und dann Paul Graetz. Komiker durch und durch reüssierte er im „Kabarett der Komiker“ und im „Alt Bayern.“ 1928 produzierte er den ersten Tonfilm-Sketch. Seine Nazi-kritischen Texte zwangen ihn 1933 zur Flucht nach England. Im Bild (2.v.l) 1932 in einer Koch-Show mit Schauspielkollegen

Humor in die dröge DDR brachte Otto Stark mit seinem Kabarett „Herkuleskeule.“ Dabei ging er bis an die Grenzen des Erlaubten und griff mit beachtlicher Schärfe evidente Missstände in der DDR auf. Später performte er mit Frau Maybrid und Tochter Myriam im Kabarett „Distel“, das er als Direktor leitete.

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Hatte Zische Breitbart Konkurrenten? Ja, hatte er. Ebenfalls ein jüdischer Herkules: Max Rosenstock. Wie Breitbart verblüffte er in den 1920ern das Publikum mit übermenschlichen Kraftakten. Im Bild links hält Max Rosenstock zwei Flugzeuge fest, die auseinanderstreben.

Bild unten: Ein halbes Dutzend Los Angeler Polizisten biegen ein dickes Eisenrohr um Max Rosenstock.

Am 29. April 1926 fand in Manhattens Webster Hall ein internationaler „Strongman“-Wettbewerb statt, den Max Rosenstock gewann. Seither durfte er den Titel „Stärkster Mann der Welt“ tragen.

Und die stärkste Frau der Welt?

Catherine Kate Brumbach, genannt Kati Sandwina. Die athletische Dame stammte aus einer jüdischen Zirkusdynastie. Zu ihren Bravourstücken gehörte, ein Pferd mit Reiter emporzuheben – oder auch sechs Männer. Das Poster rechts zeigt eine reale Performance.

Allerdangs war das eine der leichten Übungen für sie. Noch im vorgerückten Alter von 64 Jahren konnte sie Hufeisen brechen.

Mit Mann und Kindern tourte sie durch die USA und feierte Erfolge in allen bekannten Varietes.

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Die erste Frau der Welt, die sich aus einer Kanone feuern ließ, war die 16-Jährige Rosa Richter. Als „Zazel“ versetzte sie 1877 ihr englisches Publikum mit dieser „Open-Air-Variete-Performance“ in Entsetzten und Staunen

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Das erste bühnenreife Zauberkunststück gelang wohl Moses, als er den Pharao mit dem Schlangentrick tief beeindruckte. Aber in der Neuzeit folgten unsere professionellen Magier.

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Allen voran die englisch-amerikanische „Zauberer-Dynastie“ Bamberg, Im Bild David Bamberg in der siebten Generation. Unter dem Variete-Namen Fu Man Chu faszinierte er ein weltweites Publikum mit spektakulären Auftritten. Dazu gehörte das Verschwinden einer jungen Frau in einer chinesischen Laterne, und ihr Auftauchen in einer anderen. Geliebt wurde David Bergmann vom Publikum für seine humorvolle Art der Präsentation.

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Und definitiv „…but not least“: David Copperfield. 

Frauenschwarm und genial in seinen Innovationen. Seine Shows haben eine Millionenpublikum in blankes Staunen versetzt.

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Der „Gentleman-Zauberer“ Peter Samelson verbindet Standup Comedy, kluge Pointen, Psychologie und Lyrik mit Zauberstücken zu einer unvergleichlichen Show. Bild links: Peter Samelson bei einem Auftritt in den 1980ern in der amerikanischen Robert Klein Show.

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David Copperfield im Bild links ohne Unterleib, im Bild oben mit ganzem Körper und seiner damaligen Verlobten Claudia Schiffer.

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